Im Herbst 2018 wurde die MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche veröffentlicht. Der Studie liegt eine Durchsicht der Personal- und Handakten aller deutschen Diözesen der letzten 70 Jahre zu Grunde. Danach wird jeder 23. Priester des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt. Auf jeden Beschuldigten kommen statistisch gesehen 2,5 Betroffene. Das Dunkelfeld ist vermutlich deutlich höher. Hinzu kommt der Bereich der Orden, der bislang noch nicht systematisch untersucht worden ist.Die erschütternden Ergebnisse der MHG-Studie haben die Bischöfe dazu bewogen, sich bei ihrer diesjährigen Frühjahrsvollversammlung in Lingen mit den strukturellen Ursachen des Missbrauchs in der Kirche zu befassen. Sie taten dies unter der Überschrift „Die Frage nach der Zäsur. Studientag zu übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen“: Als erster referierte dort Gregor Maria Hoff (Salzburg) über „Sakralisierung der Macht“, dann sprach Philipp Müller (Mainz) über „Die Zukunft der priesterlichen Lebensform“; abschließend thematisierte Eberhard Schockenhoff (Freiburg) die „Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral“; die Moderation lag bei Julia Knop (Erfurt), die auch den Einstiegsimpuls lieferte. In den Referaten trat immer wieder auch die Spannung zutage, die zwischen dem kirchlichen Lehramt, den gegenwärtigen theologischen Diskursen und dem Lebensgefühl der heutigen Menschen besteht. Vermutlich war es das erste Mal, dass sich die Bischofskonferenz als ganze dieser Spannung so umfassend ausgesetzt und ihr gestellt hat. Über das Gehörte wurde anschließend sowohl in Kleingruppen als auch im Plenum intensiv diskutiert. Die Gesprächsatmosphäre während des Studientags war offen und konstruktiv.

Einen Tag später haben die Bischöfe dann beschlossen, sich auf einen „synodalen Weg“ einzulassen, auf dem die drei Themenkreise „Macht in der Kirche“, „Priesterliche Lebensform“ und „Kirchliche Sexualmoral“ weiter bearbeitet werden. In diesen „synodalen Weg“ wird auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken involviert sein. Vielen Verantwortlichen ist klar, dass der „synodale Weg“ keine Neuauflage des Dialogprozesses der Jahre 2011 – 2015 werden darf, bei dem über vieles gesprochen werden durfte, die entscheidenden Konfliktthemen jedoch außen vor bleiben mussten. Insofern bleibt abzuwarten, wie sich der „synodale Weg“ gestalten wird und ob die Ergebnisse der Missbrauchsstudie tatsächlich zu einer Zäsur in der Kirche führen werden.

Das Referat von Prof. Philipp Müller finden Sie hier.
Die Beiträge der anderen Referenten sind zugänglich hier.